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Dass auch beim Genuss alles nach Recht und Gesetz zugehen soll, mag ja sein – aber was kümmern uns derlei bürokratischen Verrenkungen? Doch wir wurden nachdenklich, als ein Sommelier uns kürzlich einmal sagte: man schmeckt nur, was man weiß. Und so kamen wir darauf, uns einmal mit einer besonderen europäischen Erfindung auseinanderzusetzen: der geschützten Ursprungsbezeichnung.

Marken kennen wir alle – sie gehören einfach zu unserer wirtschaftlichen Kultur. Die Idee ist auch schon recht alt und bedeutet zunächst einmal nichts anderes als: markieren, ob mit Brandmarken – daher kommt der englische Begriff des Branding – oder anders. Die Markierung signalisierte den Besitzer. Und damit wird dem Käufer ebenso unmissverständlich mitgeteilt, woher seine Ware stammt. Denn Kauf ist immer auch Vertrauenssache. Wie alt die Idee ist, zeigt ein Fund aus der 79 n. Chr. unter der Asche des Vesuv begrabenen Stadt Pompeii: Römische Winzer hatten sich für ihren an den Hängen des Vesuv gezogenen Wein den Namen Vesuvinum ausgedacht und damit die Amphoren markiert.

Damit aber wurde schon in antiker Zeit ein ganz anderes Problem angegangen: denn hier sollte wohl nicht das Produkt eines einzelnen Herstellers markiert werden – sondern das einer Region.

Zunehmender Handel und schnellere Transportmöglichkeiten erhöhten den Bedarf nach einer reglementierten Markierung besonders im Europa des 19. Jahrhunderts. Mit der sogenannten Pariser Konvention wurde 1883 ein von zunächst elf Staaten unterzeichneter Rechtsrahmen für einen Schutz geistigen Eigentums in der Industrie geschaffen, der nach allgemeines Auffassung grundsätzlich auch schützenswerte Herkunftsbezeichnungen umfasste. Im deutschen Kaiserreich trat ein entsprechendes Gesetz 1894 in Kraft. In Frankreich aber entstand später ein umfassendes System, dass sich nur mit dem Schutz der Herkunft befasste: die AOC – Appellation Origine Controllé.

Federführend hier war Pierre Le Roy de Boiseaumarié. Er heiratete 1919 die Erbin eines der prestigeträchtigsten Weingüter im Gebiet Chateauneuf-du-Pape. In der Folge war er mit massiven Qualitätsproblemen konfrontiert: Winzer des Gebietes griffen immer wieder auf minderwertige Trauben oder gar Trauben aus anderen Gebieten zurück, weil die Reblaus ihre Weinstöcke vernichtet hatte. Die Folge war Wein, der nurmehr dem Namen nach ein Chateauneuf-du-Pape war, aber keineswegs dessen Qualität hatte. Für Pierre Le Roy de Boiseaumarié auch ein Problem bei der Vermarktung seines eigenen Weins. Daher setzte er sich früh für ein System ein, das Herkunft der Trauben und Verarbeitung reglementiert. Denn wie beim Prosciutto di San Daniele ist auch hier die Herkunft von entscheidender Bedeutung für Qualität und unverwechselbare Charakteristik. Beim Wein wurde dafür der Begriff des Terroir geprägt. Er bezeichnet das Zusammenspiel der besonderen, lokalen Herstellungskultur mit den klimatischen und geologischen Bedingungen der Gegend.

Seine Mühen trugen schließlich am 30. Juli 1935 Früchte: an diesem Tag wurde – auf sein langjähriges Betreiben hin – per Gesetz in Frankreich das Institut INAO gegründet. Es hatte über die Vergabe der AOC-Rechte zu entscheiden. Chateauneuf-du-Pape wurde als erste Appellation gesetzlich geschützt.

Diese Idee machte in Europa Schule: in Italien wurde 1963 ein eigenes System eingeführt. Es unterschied die DOP (Geschützte Herkunftsbezeichnung), DOC (Kontrollierte Herkunftsbezeichnung) und DOCG (Kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung).

Die nationalstaatlichen Systeme mündeten in Europa 1992 in die EU-weit gültige geschützte Ursprungsbezeichnung. Sie schützt Lebensmittel, die an einem bestimmten geografischen Ort erzeugt, verarbeitet und nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren hergestellt werden. Sie weisen besondere Eigenschaften auf, die sie mit dieser Region verbinden. Der Prosciutto di San Daniele findet sich seit 1996 auf dieser Liste.

sandaniele_blog_artikel01_img1_564x370_de (1)Deshalb kann man bei einem Prosciutto di San Daniele sicher sein, welcher Genuss einen erwartet. Denn wie bei einem exzellenten Wein ist auch beim Prosciutto di San Daniele das Terroir von entscheidendere Bedeutung. Die Menschen in San Daniele sind es, die durch ihr Jahrhunderte altes Wissen und ihre Erfahrung nur mit Salz und Wind einen solchen Prosciutto heranreifen lassen können, um dann mittels eines Pferdeknochens seine Reife zu prüfen. Und die besonderen Winde um San Daniele sind es, die den Reifungsprozess erst möglich machen, an dessen Ende der Genuss eines gereiften Prosciutto di San Daniele steht.

Und das verdient es, geschützt zu werden. Weil es Ausdruck einer gewachsenen Kultur ist. Und damit wir schon beim Anblick der zarten Scheiben auf unserem Teller wissen, welcher Genuss uns beim ersten Biss erwartet.

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